Interview Bundesminister Töchterle

Interview mit Bundesminister Karlheinz Töchterle

„Wenn man die Geschichte aller Wissenschaften und des Wissens überhaupt betrachtet, war die Bibliothek immer ein zentraler Ort“

Interview mit Bundesminister O. Univ.-Prof.
Dr. Karlheinz Töchterle Vorab-Veröffentlichung aus: VÖB-Mitteilungen 65 (2012) 3-4
(Schwerpunktausgabe "Bibliotheks- und Informationspolitik
in Österreich")

PROLOG

Lateinische Interview-Anfrage und -Zusage Die Anfrage der VÖB-Mitteilungen: Excellentissime minister, si velles nobis honorem donare breve tempus illas res, quae bibliothecis scientificis agendae erunt, nobiscum disputare et postea resultata disputandi in libello nostro imprimi admittere, tunc nos beatitudinis plenos faceres. Gratias multas agimus eodem iam tempore. Reverendissime salutat tuus minimus servus
Petrus Klien Die Antwort des Herrn Bundesministers: Carolus Petro s.d. Libenter magnoque cum gaudio vobiscum disputationem ineam, quae scilicet imprimi possit. Vale!

INTERVIEW

VÖBM: Herr Bundesminister, wir sind sehr dankbar dafür, dass Sie sich die Zeit genommen haben, auf unsere Fragen einzugehen. BM: Ich bedanke mich für die schöne lateinische Anfrage. Wobei Sie sich nicht als „minimus servus“ bezeichnen müssten -  aber das Lateinische verträgt Übertreibungen besser als das Deutsche.   Hochschulplan und Hochschulbibliotheken  VÖBM: Der aktuelle Hochschulplan verfolgt das Ziel, den österreichischen Hochschulraum durch Koordination, Abstimmung und strategisch gesamthafte Betrachtung weiterzuentwickeln. Leider stellt in diesem Schlüsseldokument für die künftige Entwicklung der Hochschulen in unserem Land das wichtige Thema "Informationsinfrastruktur" ein Desiderat dar.  In Österreich gewährleisten an die 80 Hochschulbibliotheken mit ihren professionell ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Literaturversorgung an den jeweiligen Universitäten und Fachhochschulen. Allerdings fehlt im Hinblick auf die künftigen Herausforderungen (Digitalisierung, Open Access, Langzeitarchivierung, netzbasiertes Arbeiten) eine gemeinsame Initiative zur Verbesserung der Informationsversorgung in Forschung und Lehre, wie es sie z.B. in Deutschland mit der Allianz-Initiative "Digitale Information" seit 2008 gibt (http://www.allianzinitiative.de/de/). Dürfen wir auch für Österreich eine vergleichbare Initiative erwarten, die dem wichtigen Ziel verpflichtet ist, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der besten Informationsinfrastruktur auszustatten, die sie für ihre Forschung brauchen? BM: Ich nehme es als Anregung mit, dass sich die Hochschulkonferenz mit der Frage Informationsinfrastruktur beschäftigen soll. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese deutsche Allianzinitiative ein echtes Analogon zu Österreich ist. Die Deutschen haben eine viel stärker zersplitterte Situation, erstens einmal durch ihre Größe, zweitens auch durch die Tatsache, dass die Universitäten Ländersache sind.
Unsere Bibliotheken arbeiten ja vielfältig zusammen, das wissen Sie besser als ich. Und wir decken wahrscheinlich einige Aspekte ab, die die Deutschen so noch nicht haben, zum Teil schlicht aufgrund ihrer Struktur. Deswegen würde ich jetzt nicht so stark auf die Analogie Allianzinitiative abstellen. Aber klar ist und richtig ist, dass wir das Thema nicht übersehen dürfen, da es ein wichtiges Thema für die Hochschulen ist. VÖBM: Unser Anliegen ist es, dass man bestimmte Punkte, bei denen wir genau  wissen, dass sie  auf uns zukommen, rechtzeitig in Angriff nimmt. Zum Beispiel die Archivierung von Forschungsdaten ist so ein Thema, das jetzt international sehr stark bearbeitet wird. Es erleben einige Bibliotheken auch Anfragen von Wissenschaftlern –  das heißt die Thematik ist präsent. Aber Bibliotheken sind derzeit nicht so weit, dieses Thema vernünftig bearbeiten zu können, weil hier wieder ein neuer Schub an Kooperation notwendig ist. Kooperation ist ja ein zentrales Thema im Hochschulplan , weshalb wir uns erlaubt haben, in diese Richtung zu fragen, weil Langzeitarchivierung per se ein Thema ist, das eine mittlere oder kleine Bibliothek nie allein leisten kann. Das kann nur in Kooperation mit anderen passieren. BM: Was verstehen Sie unter Langzeitarchivierung? VÖBM: Es gibt immer mehr Medien, die e-only erscheinen. Auch die Nationalbibliothek hat dieses Thema aufgegriffen, und da geht es darum, dass diese Medien in 50 oder 100 Jahren, vielleicht auch noch in 400 Jahren verfügbar sein sollen. Dafür benötigt man Verfahren, um diese Medien immer wieder auf den neuesten Stand zu bringen und  zu gewährleisten, dass diese benutzbar sind wie ein gedrucktes Buch, das Sie noch nach tausend Jahren lesen können. BM: Die Frage ist, warum verzichtet man auf das gedruckte Buch? Dadurch entsteht das Problem. VÖBM: Es besteht mittlerweile ein enormer Druck, dass alle die Medien 24 Stunden am Tag, rund um die Uhr, nutzen wollen. Wir erleben das an den Universitäten sehr stark. – Was Sie jetzt in Ihrer Rückfrage angesprochen haben, würde aber einfließen in so einen nationalen Plan, dass man eben auch nach Möglichkeit in bestimmten Bereichen das Print-Exemplar bewahren soll. Wir haben allerdings das Problem, dass die Universitäten, wenn jede für sich arbeitet, immer nur den kurzfristigen Erfolg sieht und dafür auch Rechenschaft abgeben muss, und dass längerfristige Perspektiven nicht im Fokus stehen. BM: Aber ist das nicht Aufgabe der Nationalbibliothek? VÖBM: Ja, aber nur für die Austriaca. BM: Aber Österreich kann nicht die Aufgabe erfüllen, die ganze Welt zu archivieren. VÖBM: Aber zum Beispiel die Hochschulschriften, die an österreichischen Universitäten entstehen, dass die irgendwo zentral gehostet werden, wäre eine Möglichkeit. Oder die Forschungsdaten. BM: Aber muss nicht auch von den Hochschulschriften ein Exemplar an die Österreichische Nationalbibliothek geliefert werden? VÖBM: Nur die Dissertationen, nicht die Diplomarbeiten und Masterthesen. Es gab eine gesetzliche Änderung im Universitätsgesetz 2002, sodass mit Geltung 1. Jänner 2004 nur mehr Dissertationen, sofern sie an österreichischen Hochschulen approbiert worden sind, abgeliefert werden müssen bzw. in der Praxis von der Österreichischen Nationalbibliothek auch angenommen werden. BM: Wir nehmen das Thema auf die Agenda der Hochschulkonferenz, weil es absolut treffend ist, dass es ein Thema der Hochschulen ist. Und  vielleicht sollte man das Thema Allianzinitiative nochmals ansehen, ob wir von ihr etwas lernen können. Sie sind der Meinung, dass man das tun sollte? VÖBM: Wir stehen mit Kollegen im Austausch und aus unserer Sicht wäre es interessant, wenn es eine vergleichbare Studie für Österreich gäbe. Man könnte externe Experten heranziehen und diese einladen, die Situation in Österreich zu bewerten und Lösungsansätze zu skizzieren, wo man kooperativ arbeiten sollte. Wir dürfen vielleicht noch auf dieses Papier[1] aus 2008 hinweisen, wo das ganze Problemfeld auf acht Seiten zusammengefasst ist. Das stammt aus Deutschland;, bei uns gibt es hier leider halt noch nichts.  Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV) VÖBM: Der Österreichische Bibliothekenverbund (OBV) ist der große Verbund der wissenschaftlichen und administrativen Bibliotheken Österreichs mit über 80 Einzelinstitutionen. Ihm kommt eine zentrale Rolle in der Literatur- und Informationsversorgung der Universitäten und Hochschulen in Österreich zu. Was in anderen Bereichen derzeit ambitioniert begonnen wird – die Weiterentwicklung des österreichischen Hochschulraums durch Koordination, Abstimmung und strategisch gesamthafte Betrachtung – funktioniert im Bereich der Bibliotheken seit vielen Jahren ausgezeichnet. Durch einen Geist der Zusammenarbeit, der gewissermaßen die Stürme der universitären Reorganisation überdauert hat, können auf vielen Ebenen Synergieeffekte lukriert werden, die immer auch mit Kostenersparnissen einhergehen (Beispiele: Suchmaschinen, Katalogisierungsverbund, kooperative Metadaten-Anreicherung).   Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt die OBVSG als zentraler Dienstleister des österreichischen Bibliothekenverbundes. Ihr könnte – aus Perspektive der Bibliotheken – in Zukunft eine noch stärkere Rolle zukommen. Wie sieht das Ministerium bzw. wie sehen Sie als zuständiger Minister und Eigentümervertreter der OBVSG deren künftige Entwicklung? BM:  Natürlich sehe ich sie als bedeutsam, sie soll meines Erachtens weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Und wahrscheinlich kann man ihr auch gewisse zusätzliche Kooperationsfunktionen zuschreiben. Mit ihr hätten wir oder haben wir schon ein Werkzeug in der Hand, das in die Richtung gehen kann, die uns da offenbar die Deutschen teilweise vorgeben. Vielleicht muss man unter diesem Aspekt auch ihre Aufgaben neu sehen und erweitern. VÖBM: Ganz konkret, es gibt eine Liste mit der wissenschaftlichen Öffentlichkeit beim österreichischen Hochschulplan; diese Liste heißt wissenschaftsbezogene Öffentlichkeit[2]. Da sind sehr viele Organisationen vertreten, die OBVSG ist aber nicht dabei. BM: Das ist die Liste jener Gremien, die wir gegebenenfalls heranziehen als zusätzliche Diskussionsteilnehmer in Arbeitsgruppen. Wahrscheinlich ist sie nicht dabei, weil die OBVSG zu uns im Haus gerechnet wird. Das sind alles Gremien, die nicht im Haus situiert sind. Es ist allerdings auch der FWF darauf, der wieder stärker zum Haus gehört. Der FWF wird zwar von uns finanziert … VÖBM: … ist aber zweifellos größer als die OBVSG, das ist keine Frage. BM: Haben Sie sich jemals gemeldet dazu? VÖBM: Nein, wir sind auch selber schuld. Wir geben das gerne zu. BM: Andere Interessensvertretungen haben sich intensiv gerührt. Viele wollten Mitglied der Hochschulkonferenz sein. Da haben sich wirklich sehr, sehr viele gemeldet und auch geärgert, als sie es nicht wurden. Und das ist mit ein Grund, dass wir diesen Passus überhaupt aufgenommen haben.  Um zu dokumentieren: Wir wissen, dass es euch gibt. Wir nehmen euch wichtig, und wir nehmen euch, wenn es euch betrifft, auch hinzu. Das ist eine offene, keine geschlossene Liste. Da kann man natürlich auch die OBVSG dazu nehmen. VÖBM: Das heißt, wir sind eingeladen, Terror zu machen? BM: Es kann auch weniger sein als Terror – aber sich zu rühren, wie Sie es ja jetzt auch tun. Open Access und nationale Repositorien VÖB: Dann dürfen wir zur dritten Frage wechseln. Unter dem Schlagwort Open Access hat sich weltweit eine Bewegung etabliert, die das wissenschaftliche Publikationswesen radikal verändern will. In vielen Ländern gibt es staatliche Initiativen zur Forcierung von Open Access, und auch die Europäische Kommission hat diesen Aspekt im aktuellen Rahmenprogramm für Forschung und Innovation "Horizon 2020" entsprechend verankert.  In Österreich wurde eine zukunftsweisende Regelung aus der Novelle zum Universitätsgesetz 2002, die die Etablierung einer "zentralen Datenbank für wissenschaftliche und künstlerische Arbeiten" (nationales Repositorium) vorgesehen hatte, im Jahr 2010 leider wieder rückgängig gemacht. Kann man in nächster Zeit mit einer neuen Initiative der Politik bzw. Ihres Bundesministeriums zur Förderung von Open Access in Österreich rechnen? Wir sahen darin einen zentralen Angelpunkt, wo sich viele einbringen hätten können, um Open Access  nachhaltig in Österreich zu etablieren. Und es war dann das Sparprogramm, auf dessen Basis diese Novelle 2009 im Jahr 2010  rückgängig gemacht wurde.              BM: Konkret denken wir daran, in den Geisteswissenschaften zu investieren. Das ist eine Initiative von uns und dem FWF, wo wir mit 500.000 Euro eine Anschubfinanzierung und einen Impuls zur Etablierung von Open Access Zeitschriften geben wollen. Generell kann ich die Loipersdorfer Beschlüsse nicht einfach rückgängig machen. Das betrifft mehrere Bereiche. Es sind sehr, sehr  viele außeruniversitäre Forschungsinstitute zu mir gekommen, um zu klagen, und ich musste leider immer nein sagen. Wir können andere Lösungen versuchen. Ich kann nicht einfach die Beschlüsse von Loipersdorf  aufheben, das heißt aber deswegen nicht, dass Open Access auf Eis gelegt ist, sondern es gibt kleinere Initiativen, es gibt eine FWF-Initiative – und wie gesagt, auch wir selbst nehmen gemeinsam mit dem FWF zusätzliches Geld in die Hand, damit etwas weitergeht. Natürlich ist Open Access insgesamt auch ambivalent, aber das wissen wir alle. Es ist einerseits sicher nicht aufzuhalten und auch wichtig, andererseits greift es natürlich ganz stark in das Publikationsverhalten überhaupt ein und in die Ökonomie, auch bei den Verlagen, die alle erst selber damit umgehen lernen müssen. Teilweise gehen sie damit geschickt um, teilweise wird es vielleicht auch revolutionäre Entwicklungen geben in nächster Zeit. VÖBM: Es handelt sich bei Open Access allerdings um eine internationale Entwicklung und wir denken, man sollte von Österreich aus nicht nur zusehen. Es gäbe ja auch Ansätze, die unmittelbar gar kein Geld kosten würden. Wir  denken da zum Beispiel an die Wissensbilanzverordnung, wo die Publikationen von den Universitäten zu übermitteln sind. Man könnte hier auch zum Beispiel das Schichtungsmerkmal Open Access einfordern, dann hätte man auch gleich ein Monitoring. BM: Das heißt, dass man in der Wissensbilanz eine Rubrik eröffnet – „Open Access“? Sie meinen, das hätte einen Steuerungseffekt? VÖBM: Ja, wenn es abgefragt wird, ist es relevant und wichtig. Und die Forschungsdatenbanken an den Universitäten berücksichtigen diesen Aspekt derzeit nur marginal.  Im Forum Universitätsbibliotheken Österreich haben  wir den Status von Open Access an den österreichischen Universitäten untersucht und festgestellt, dass Open Access nur an drei Universitäten in der Forschungsdatenbank erhoben wird. BM: Welche sind das? VÖBM: Die Veterinärmedizin ist dabei, die Uni Wien und die Med Uni Graz. Dabei handelt es sich bisher um Einzelinitiativen von Rektoraten. Ich könnte mir vorstellen, dass eine verpflichtende Berücksichtigung dieses Aspekts auch national herzeigbar ist, etwa dass derzeit 5 % des Publikationsoutputs Open Access ist und in drei Jahren vielleicht 12 %. Man könnte damit auch dokumentieren, ob diese Maßnahmen, die Sie skizziert haben – etwa Anschubfinanzierung gemeinsam mit dem FWF – erfolgreich waren. BM: Das nehmen wir auch als Anregung auf, eine Rubrik „Open Access“ in der Wissensbilanz. Zukunft der (Hochschul-)Bibliotheken VÖBM: Die Österreichische Nationalbibliothek hat in den letzten Wochen ihre strategische Planung für 2025 vorgelegt, in der digitale Medien in den Fokus gerückt werden, getragen von der Einschätzung, dass die Bedeutung klassischer Print-Medien zurückgehen wird. Dies mündet in der Conclusio, dass Print-Medien nur mehr dann gesammelt werden sollen, wenn keine vergleichbare Online-Version vorhanden ist. Wie sehen Sie als klassischer Philologe, der eine besondere Beziehung zu Bibliotheken hat, diese Entwicklung?  Wie stellen Sie sich als jemand, der viele Jahre als Hochschullehrer und Rektor an der Universität Innsbruck gewirkt hat, die Hochschulbibliothek der Zukunft vor? BM: Der klassische Philologe sieht das natürlich mit einer gewissen Skepsis und Nostalgie. Wenn man die Geschichte aller Wissenschaften und des Wissens überhaupt betrachtet, war die Bibliothek immer ein zentraler Ort. Und das Wesen der Bibliothek ist das Biblion, das Buch. Und wenn das Buch jetzt nicht mehr da ist – materiell –, ist das wirklich ein ganz revolutionärer Schritt, der mich nicht nur mit Nostalgie, sondern auch mit einer gewissen Sorge erfüllt. Wir haben es schon angesprochen: Wird man in fünfzig Jahren dann noch die Software haben, die jetzigen Medien zu lesen? Man kann hoffen, dass das so ist, aber sicher sein kann man sich nicht. Die Augen des Menschen wird es noch geben, wenn es den Menschen gibt, ob es die Maschinen gibt, die das noch lesen können, wissen wir nicht genau. Man kann vermuten und mit hoher Wahrscheinlichkeit hoffen, dass es da keine Rückschritte gibt, aber sicher sein kann man sich nicht. Das erfüllt mich mit einem gewissen Unbehagen, sage ich ganz ehrlich. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist aber, dass es immer wieder technische Revolutionen und Neuerungen gegeben hat. Ich weiß jetzt nicht genau, welche Sorgen die Menschen beschlichen haben, als der Buchdruck aufgekommen ist. Aber wahrscheinlich  kann man das nachlesen, oder sogar sicher.  Besser bekannt sind Sorgen, die aufgekommen sind, als das industrielle Zeitalter begonnen hat und verschiedene Prognosen über Eisenbahnen, PKWs  und Dampfmaschinen geäußert wurden. Der Pessimismus war also immer da, und hat sich dann oft nicht bewahrheitet oder aber doch. Wenn ich sehe, wie der PKW oder der LKW unsere Welt beeinflusst, und nicht nur zum Guten beeinflusst, dann haben manche Pessimisten vielleicht doch auch ein bisschen recht gehabt. Das war jetzt eher philosophisch. Jetzt werde ich aber versuchen, konkret zu sein. Natürlich ist die Digitalisierung auch ein Segen, das ist gar keine Frage. Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Informationsfülle – das alles sind Positiva, das muss man sehen, honorieren und auch schätzen. Auch eine gewisse Demokratisierung und Egalisierung von Information ist damit verbunden. Jeder kann zu jeder Zeit zugreifen. Aber die andere Seite: Ersparnis sehe ich kaum, weil eigentlich die Papierflut dadurch nicht abnimmt. Man druckt sich ja alles aus. Aber vielleicht ändern sich die Arbeitsweisen stärker. Noch sind sie sehr stark auf Papier bezogen. Wie halt in fast allen Dingen des Lebens und des Menschen haben wir Für und Wider, Ambivalenz. Man muss es mit einer großen Behutsamkeit und großen Verantwortung machen, indem man nach Möglichkeit sicherstellt,  dass die Lesbarkeit der Texte bestehen bleibt. Ich kann das auch nur als Appell äußern, ich kenne mich zu wenig aus in der digitalen Speicherung, ob wirklich die Gefahr besteht, dass das irgendwann nicht mehr lesbar ist. Ich weiß es schlicht nicht. Es gibt prominente Bekämpfer dieses Entschlusses der ÖNB, und ich habe auch Briefe bekommen diesbezüglich. Deren Befürchtung ist schon verständlich. VÖBM: Das steht auch für die Unibibliotheken an, und hier wird die Entscheidung wahrscheinlich sehr rasch in Richtung digitales Medium fallen. Das Thema zentrale Langzeitarchivierung wäre hingegen etwas, für das sich die OBVSG sehr interessieren würde. Sie würde sich hier gerne einbringen. BM: Beides müsste man stärker sehen und bearbeiten. VÖBM: Herr Bundesminister, wir danken herzlich für das Gespräch.
-- Das Interview wurde am 6.11.2012 im Ministerbüro geführt.
Mit BM O. Univ.-Prof. Dr. Karlheinz Töchterle sprachen: HR Mag. Bruno Bauer
Direktor, Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien
Vorsitzender, Forum Universitätsbibliotheken Österreichs (ubifo) Mag. Peter Klien
Pressesprecher, Die Österreichische Bibliothekenverbund und Service GmbH (OBVSG)
VOeB_4471.jpg
Bundesminister Karlheinz Töchterle
VOeB_4504.jpg
v.l.n.r.: Bruno Bauer, Karlheinz Töchterle, Peter Klien
VOeB_4474.jpg
VOeB_4483.jpg